Paris brennt
Paris brennt Still

Die Reality-Show „RuPaul’s Drag Race“, die Netflix-Serie „Pose“, Madonnas Song „Vogue“ – unzählige erfolgreiche Mainstream-Phänomene haben ihren subkulturellen Ursprung in der Drag Ball Culture. Von Behörden und Gesellschaft lange Zeit verpönt, veranstaltet die [afroamerikanische und Latinx-] LGBTQI+ Community in New York seit bald 50 Jahren ihre empowernden Performance-Wettbewerbe in sogenannten Ballrooms – ein inklusiver Mikrokosmos, der für alle offen steht, die von der trans-/homophoben und rassistischen Mainstream-Kultur oder anderen queeren Subkulturen abgelehnt werden. Mit der House Culture entstanden Gegenentwürfe zu heteronormativen Familienkonzepten, Refugien der Selbstliebe und der Fantasie – Orte, an denen Träume in Erfüllung gehen, aber auch auf tragische Weise platzen können. PARIS IS BURNING nimmt uns mit auf eine Zeitreise in diese schillernde Utopie. Mehrere Jahre lang filmte Jennie Livingston in den 1980er-Jahren die Untergrund-Bewegung der Balls in Harlem mit all ihren legendären Voguer_innen, Drag Queens und Trans wo_men. Das Ergebnis ist das vielleicht wichtigste Zeitdokument der Szene, ein intimes Porträt rivalisierender Houses, das nicht nur angesichts heutiger Erfolgsformate noch immer brandaktuell ist. Because those people live(d) and those lives matter.“ Ostentorkino Regensburg

Jennie Livingstons auch an den Kinokassen äußerst erfolgreiche Dokumentation erhielt zahlreiche Auszeichnungen (u.a. GLAAD Media Awards, Sundance, Berlinale) und wurde 2016 ins US-amerikanische National Film Registry aufgenommen. Der Film war populärkulturell hochwirksam und brachte Begriffe und Praktiken wie „shade“ und „voguing“ in Umlauf. Auch von seiner gesellschaftspolitischen Relevanz hat PARIS IS BURNING bis heute nichts eingebüßt. Neben dem Fokus auf eine marginalisierte Community werden hier die von der Mehrheitsgesellschaft oft aggressiv verteidigten Geschlechterrollen als bloße Konstruktionen entlarvt. Bei ihrer Untersuchung der Zusammenhänge zwischen sozialem Geschlecht und Performativität stellt der Film für die Philosophin Judith Butler einen zentralen Bezugspunkt dar: „[D]rag is subversive to the extent that it reflects on the imitative structure by which hegemonic gender is itself produced and disputes heterosexuality’s claim on naturalness and originality“ („Bodies that Matter“, 1993:125). In Verbindung mit unserem Monatsthema Kitsch lässt sich so feststellen: Nicht die Drag- oder Trans_Person ist der Fake, sondern die heteronormative Gesellschaft, in der wir leben.

(Textverantwortlich: AR)