Unsere Filme im Februar - Herzflimmern
The Hyperboreans
21.02.

Die Radikalpoeten Cristobál Léon und Joaquín Cociña reißen in knapp über einer Stunde den historischen Stoffwechsel zwischen deutschem Nationalsozialismus und chilenischen Faschisten auf. So war der „esoterische Hitlerist“ Miguel Serrano davon überzeugt, dass das Nazi-Regime bei einer Antarktis-Expedition eine Möglichkeit gefunden hätte, mit Städten im Erdinneren zu kommunizieren, wohin die sagenumwobenen Hyperboreaner geflohen sein sollen. „The Hyperboreans“ ist eine hintergründige Groteske, vollgestopft mit bizarren Bildern und umgesetzt mit allen Mitteln der Verfremdungskunst, darunter Stop-Motion und Puppentrick. Irre!

Joaquín Cociña & Cristóbal León sind ein Künstlerduo, das seit 2007 zusammenarbeitet. Ihre Arbeiten waren bereits in zahlreichen Ausstellungen zu sehen. Sie führten Regie bei Musikvideos für Künstler_innen wie PJ Harvey, The Smile und Camila Moreno und haben mehrere Kurzfilme gedreht. „La Casa Lobo/The Wolf House“, ihr grandioses Stop-Motion-Spielfilmdebüt, das 2019 auch im OFFKINO lief, wurde 2018 auf der Berlinale uraufgeführt, während die Weltpremiere ihres zweiten Spielfilms, „The Hyperboreans“, bei der Cannes Directors‘ Fortnight 2024 stattfand.
(Textquelle: SLASH Filmfestival)

Bizarre, but not without its own unique brand of narrative and visual rewards, The Hyperboreans is an eclectic, disturbing, and formidable foray into the creative possibilities of what cinema can be. Much like their disturbing first feature The Wolf House, which similarly examines the ripple effects of Nazism in Chile after WWII, Cociña and León have found a perverse alchemy for cinema as a tool both delightful and disquieting.“ Nicholas Bell

(Textverantwortlich: KE)

The Hyperboreans Still
Crank
28.02.

„Fuck you“ steht auf der DVD, die dem Auftragskiller Chev Chelios (Jason Statham) zeigt, dass er kurz zuvor im Schlaf von seinem Rivalen Ricky Verona (Jose Pablo Cantillo) bewusstlos geschlagen und vergiftet wurde. Dank des ihm verabreichten Giftcocktails hat er nur noch eine Stunde zu leben – es bleibt also nicht viel Zeit, um sich an den richtigen Leuten zu rächen und sich von seiner Freundin Eve (Amy Smart) zu verabschieden. Das Glück im Unglück: um die Wirkung des tödlichen Gifts herauszuzögern und Zeit zu schinden, bevor ihm die Pumpe gänzlich versagt, braucht es konstant Adrenalin in seiner Blutbahn und dafür setzt er alle Hebel in Bewegung: sex, drugs and Defibrillator!

Die nächsten 80-Minuten preschen wir, an Chevs Fersen geheftet, von einer rasanten, videospielmäßig inszenierten Actionszene in die nächste – zu einem Soundtrack, der einfach cool ist (Incubus, Quiet Riot, Control Machete, Loverboy, NOFX uvm.). Unterstützt wird Chev Chelios auf seiner Mission durch „Napoleon Dynamite“s Efren Ramirez als Kaylo, ein treuer, aber charmant-unbeholfener Kumpane im absolut stylischen Y2K-Crossdress, während Dwight Yoakam als schmieriger Doc Miles telefonische Notfallhilfe leistet. Aufpassen: auch „It’s Always Sunny in Philadelphia“s Glenn Howerton kann man hier in einer frühen Rolle entdecken!

Ursprünglich als Film für Johnny Knoxville in der Hauptrolle geschrieben, lieferte „Crank“ für Statham die perfekte Möglichkeit um sich in reale, CGI-lose Stunts zu werfen und sein Image vom gerissenen Action-anti-hero zu zementieren.

Contentwarnung

(Textverantwortlich: LV)

Crank Still
Unsere Filme im März - Krawall
Helke Sander: Aufräumen
07.03.

Die Vorstellung von Claudia Richarz‘ Dokumentarfilm findet in Kooperation mit und im Rahmen der Frauenfilmtage Bielefeld statt (https://frauenfilmtagebielefeld.de/). Der Eintritt entspricht den Eintrittspreisen der Frauenfilmtage: Eintritt 8 €, ermäßigt 5 €, mit Bielefeld-Pass 1 €

Regisseurin Claudia Richarz wird am Filmabend persönlich anwesend sein!

Die Filmemacherin und Autorin Helke Sander ist eine Ikone nicht nur der Frauenbewegung, sondern auch des neuen deutschen Films.1967 wird sie Mitglied im Sozialistischen Deutschen. Die Situation der Frauen in der Gesellschaft ist dort kein Thema, auch unter den Frauen nicht. Sie gründet zusammen mit Marianne Herzog den Aktionsrat zur Befreiung der Frauen sowie die ersten Kinderläden in Berlin. Unbezahlte Care-Arbeit, zu wenige Betreuungsangebote für Kinder, kaum Unterstützung durch die Männer bei der Kindererziehung – diese Themen sind auch heute noch, viele Jahre später, aktuell. Auf dem Delegiertenkongress des SDS im September 1968 erklärt sie in ihrer legendären ‚Tomatenrede‘, dass eine gesellschaftliche Veränderung ohne die Befreiung der Frauen nicht möglich ist. Das Private ist politisch. Die Männer kommentieren ihre Rede mit höhnischem Gelächter. Aber die neue deutsche Frauenbewegung beginnt.

Die Gewalt gegen Frauen und ihre Unterdrückung durch patriarchale Strukturen werden Helke Sanders Lebensthema, auch in ihren Dokumentar- und Spielfilmen.

Sander war ein Leben lang politisch aktiv und unbequem. Sie hat viele Errungenschaften für Frauen, die uns heute selbstverständlich sind, angestoßen und umgesetzt: „Wer nachdenkt, radikalisiert sich auch.“ Claudia Richarz spürt in ihrem Dokumentarfilm nach, was das für Sanders eigenes Lebensgefühl, den eigenen Sohn und die Liebe bedeuten mag.
Der Film verbindet mit eindrucksvollen Filmausschnitten aus Sanders Werk ihr künstlerisches Schaffen mit ihrem Leben. Hinter Sanders emanzipierter Haltung steht die kontinuierliche Aufforderung, nachzudenken, vermeintliche Selbstverständlichkeiten nicht hinzunehmen und unabhängig davon, was andere für richtig halten, auch immer auf sich selbst zu hören.
Weitere Infos unter: https://helkesanderfilm.de/presse/

(Textverantwortlich: CP)

Helke Sander: Aufräumen Still
Blue Velvet
14.03.

Wir als Offkino-Team haben keine feste Routine in Hommagen an für uns bedeutende, verstorbene Regisseur_innen, doch hier fügte sich alles fast wie von selbst: Kurz nach dem Programmtreffen für März die Verkündung von Lynchs Tod – eine Nachricht, die uns sehr berührt hat. Unsere besondere Affinität zu Lynch zeigt sich auch darin, dass nahezu alle seine Filme bei uns im Programm gelaufen sind.
„Blue Velvet“ stand tatsächlich auch kurz in meiner Vorschlagliste für das März-Programm. Dank unseres hervorragenden Netzwerks können wir ihn nun analog und sogar in der Originalfassung als Hommage an einen herausragenden Regisseur zeigen.
// Und es wird bestimmt auch das ein oder andere lynchieske Accessoire bei uns im Foyer zu finden sein //

Rest in peace David Lynch (1946 – 2025)
You know about death, that it’s just a change, not an end.” The Log Lady, „Twin Peaks: The Return“, Episode 15

Zu „Blue Velvet“:
It`s a strange world, isn`t it?
Jeffrey Beaumont (Kyle MacLachlan) wird durch den Fund eines abgeschnittenen Ohrs in die Abgründe seiner Kleinstadt gezogen. An der Seite von Sandy (Laura Dern) entdeckt er die tragische Lounge-Sängerin Dorothy Vallens (Isabella Rossellini), deren Leben vom psychopathischen Frank Booth (Dennis Hopper) kontrolliert wird. David Lynch erschafft eine verstörende Welt, in der Unschuld und Dunkelheit aufeinanderprallen, und liefert einen atmosphärischen Klassiker, der Albtraum und Realität meisterhaft verschmelzen lässt.

„Blue Velvet“ markiert einen Wendepunkt in David Lynchs Karriere, indem er seine surrealistischen Visionen mit einer klareren Erzählstruktur verbindet. Der Film etablierte seinen Stil: die Erforschung des Unheimlichen hinter der Fassade des Alltäglichen, verstörende Gewalt und surreale Bildsprache. Als Brücke zwischen den experimentellen Anfängen wie „Eraserhead“ und späteren Meisterwerken wie „Twin Peaks“ oder „Mulholland Drive“ gilt „Blue Velvet“ als zentrales Werk, das Lynchs Ruf als Meister des modernen Surrealismus festigte.

(Textverantwortlich: KE)

Blue Velvet Still
Die Faust im Nacken
21.03.

Terry Malloy ist ein ehemaliger Boxer, ein Hafenarbeiter, der in enger Verbindung mit dem Mob steht, da sein Bruder Charley die rechte Hand des die Docks beherrschenden Johnny Friendly ist. Friendly schikaniert und terrorisiert die Arbeiter. Doch als zwei Männer getötet werden, rebelliert Malloy mit einem fanatischen Priester und der Schwester von einem der Opfer.

Ein Kultfim. Ein Masterpiece. Für viele Kollegen Brandos, wie Al Pacino, James Coburn und Brian Dennehy, war „Die Faust im Nacken“ ein Sprungbrett ins kommerzielle Fach. Aus dem rebellierenden „Method-Actor“ der früher 1950er Jahre wurde ein exzentrischer Star des Mainstream Kinos. Ausgezeichnet mit 8 Oscars, darunter einen für Brando, den er persönlich aus den Händen von Bette Davis entgegennahm.

Der US-amerikanische Regisseur Elia Kazan (1909-2003) war Mitbegründer des Actors Studios. Sein Film- und Theaterwerk wurde mit unzähligen Preisen ausgezeichnet. 1952 verriet er die Namen verschiedener Kollegen_innen der „Kommunistischen Partei“ vor dem McCarthy-Ausschuss für unamerikanische Umtriebe. Freunde_innen, Schauspieler_innen und andere kreative Menschen wandten sich von ihm ab. In der Künstler_innen-Gemeinde galt seine Tat als Hochverrat. Als ihm 1997 der Ehren-Oscar für sein Lebenswerk verliehen wurde, verweigerten viele Promis ihm die üblichen Standing Ovations und blieben demonstrativ mit verschränkten Armen sitzen.

Der mit Oscars überschüttete dramatische Film […] machte Schule im Kino des Realismus. Kazan verwandte große Sorgfalt auf Milieu und Atmosphäre, führte seine Darsteller zu packenden Leistungen und scheute nicht vor einem starken sozialen Pathos zurück.“ Lexikon des internationalen Films

(Textverantwortlich: JU)

Die Faust im Nacken Still
Decoder
28.03.

Der (west-)deutsche Film in den 1980er Jahren: Die Zeit des „Neuen Deutschen Films“ ist zu Ende, die wenigen deutschen Filme, die in den Kinos Erfolg haben, sind klamaukige Komödien. Doch im Untergrund blüht das Experiment des Independentfilms. In einer Mischung aus Cyberpunk und Gegenkultur entsteht in Hamburg „Decoder“. Der Videokünstler Muscha (1951 – 2003) schafft es, trotz kleinem Budget, zahlreiche Persönlichkeiten der Industrialszene und Idole wie den Autor William S. Burroughs, Genesis P-Orridge oder Christiane F. vom Mitwirken zu überzeugen.
Angeregt ist der Film durch Burroughs Überlegungen zu einer „Electronic Revolution“: FM (FM Einheit) ist Mitarbeiter eines Burgerladens, der entdeckt, Muzak (umgangssprachlich auch „Fahrstuhlmusik“) elektronisch so zu verfremden, dass die Bevölkerung zur Revolte gegen den Überwachungsstaat bewegt werden kann. In der Folge schließt er sich einer Stadtguerilla an, doch der Agent Jäger (Bill Rice) heftet sich an seine Fersen, dessen Aufgabe es ist, Dissidenten aufzuspüren.
Was Muscha nicht mag, ist Überintellektualisierung im Film. ‚Wichtig war‘, sagt er zu DECODER, ‚die Story so zu zerstören, daß es keine sozialkritische Bilderbuchgeschichte wird.‘ […] Muscha macht nicht nur Film, er lebt Film. ‚Reproduzierte Gefühle haben mich immer schon mehr berührt als Allerweltsgefühle. Die Realität interessiert mich einen Scheißdreck. Es ist so, als stünde ich immer in einer Inszenierung, die ich gerade mache.‘ Das obsessive Verhältnis zur Welt der bewegten Bilder strahlt auch auf die Arbeit aus. […] Der Film klingt, thrillt, leuchtet. … Ein Leckerbissen für Augenmenschen.“ Muscha im Interview von Peter Glaser, Magazin „Überblick“ (1983)

(Textverantwortlich: JR)

Decoder Still