Das Kind
Das Kind Still

Ein Markenzeichen der belgischen Filmemacher und Brüder Jean-Pierre und Luc Dardenne ist ihr nahezu dokumentarischer und ungeschönter Blick auf randständige Charaktere und Geschichten, ihre ganz spezielle „Mischung aus sozialem Realismus und Humanismus“ (M. Kienzl, critic.de). Wie „Rosetta“ (1999), den wir im September 2017 im Offkino zeigten, spielt „Das Kind“ vor der Kulisse der vom Strukturwandel gezeichneten, ehemaligen Bergbaustadt Seraing (Liège), der die Regisseure auch selbst entstammen; und ebenso wie „Rosetta“ wurde „Das Kind“ auf den Filmfestspielen in Cannes mit deren höchster Ehrung ausgezeichnet, der Goldenen Palme.

„Das Kind“ bildet den Auftakt zu unserer ursprünglich für Mai 2020 geplanten, nun nachgespielten Reihe zum Thema Reue. Der Film erzählt von Bruno und Sonia, sehr jung und am Rande der Gesellschaft lebend. Sie sind ein Paar, auch wenn sie sich für kurze Zeit aus den Augen verloren haben. Bei ihrem Wiedersehen stellt Sonia Bruno „das Kind“ vor – den kleinen Jimmy, den sie kürzlich zur Welt gebracht hat. Gewohnt, sich auch mit Gaunereien über Wasser zu halten und alles zu Geld zu machen, was ihm zur Verfügung steht, entschließt sich der junge Vater spontan dazu, das Kind zu verkaufen. Wenn auch Sonias ungläubiges Entsetzen, ihr Zusammenbruch und ihre Abscheu gegenüber Bruno ihn umgehend dazu bewegen, den Deal rückgängig machen zu wollen, so wird ihm die ganze Tragweite seines Handelns erst klar im Lauf eines immer verzweifelteren Kampfes darum, sein Kind wiederzubekommen.

Das große Kunststück des Films ist es, gewissermaßen von der Läuterung Brunos zu erzählen, dabei aber sämtlichen Versuchungen zu widerstehen, moralisch zu urteilen. Überhaupt ist die große Stärke des Films sein Wechselspiel aus Emotion und Distanz. Hier dient die Identifikation mit den Figuren nicht reinem Mitgefühl, sondern macht deren Handlungen und Beweggründe begreifbar. Dabei rutscht L’enfant eben nicht ins Sentimentale ab, weil die Emotionen zwar gezeigt werden, den Film aber nicht überwältigen.“ M. Kienzl, critic.de