Die Abenteuer des Prinzen Achmed
Die Abenteuer des Prinzen Achmed Still

Wir freuen uns auf eine kleine Einführung von Christiane Heuwinkel, Direktorin des Kunstforums Hermann Stenner! Dort sind kommentierte Filmstills Teil der aktuellen Ausstellung „Expressionismus in Kunst und Film“ (15.10.2023 –25.2.2024), https://kunstforum-hermann-stenner.de/app/ausstellungen/ — in ganzer Länge seht ihr ihn bei uns!

Lotte Reinigers leuchtend farbig viragiertes Schattenmärchen nimmt uns mit in einen Orient, der als mythischer Sehnsuchtsort der Sterne und Arabesken imaginiert wird. Frei nach Tausendundeiner Nacht erzählt der Film vom Prinzen, der nicht nur seine Schwester Dinarsade vor der Ehe mit dem mit allen magischen Wassern gewaschenen Zauberer bewahrt, sondern auch die anmutige Dämonenprinzessin Pari Banu vor ihrer Versklavung und dem Zorn ihres eigenen Dämonenvolks rettet. Angesichts des Zeitkontexts seiner Entstehung sowie der begrenzten technischen Möglichkeiten des Scherenschnitts, Charaktereigenschaften und Differenz anders als über Äußerlichkeiten zu schildern, kommt der Film nicht ohne stereotypisierende Vereinfachungen aus; seine Schönheit, überbordende Fantasie und künstlerische Virtuosität aber sind nach wie vor imstande, sein Publikum zu verzaubern. So handeln Achmeds Abenteuer einerseits von Machtgier, Voyeurismus, Unterwürfigkeit und Verrat, andererseits von Liebe, Courage und der unerschütterlichen Freundschaft zwischen dem Prinzen und dem rangniedrigeren Aladin und rücken mit Achmeds Komplizin, der Hexe, eine starke, body positive Frauenfigur in den Mittelpunkt.

Sie wollte eigentlich Schauspielerin werden, entschloss sich aber dann, ihre Leidenschaft für Schattentheater und Märchen künstlerisch im Medium des Films umzusetzen – und wurde mit ihren Silhouettenfilmen der erste Star des  Animationsgenres: Charlotte Eleonore Elisabeth „Lotte“ Reiniger (1899-1981), die mit „Die Abenteuer des Prinzen Achmed“ den ältesten erhaltenen abendfüllenden Trickfilm schuf. Drei Jahre hatte sie an diesem höchst aufwändigen Werk gearbeitet, bei dem flache, einzeln ausgeschnittene Papierpuppen über Stop Motion animiert wurden. In einer Zeit, in der Frauen in der Filmbranche eine Rarität darstellten, leitet sie bei „Achmed“ ein männliches Team, darunter ihr Ehemann, der Kameramann Carl Koch, und Regisseur Walter Ruttmann. Als Künstlerin errang sie den Respekt von Zeitgenossen wie Bert Brecht und Jean Renoir, einem breiten Publikum aber blieb sie hierzulande unbekannt. Das lag auch daran, dass Reiniger und Koch, entschiedene Gegner_innen des Naziregimes, in den 1930ern ins englische Exil gegangen waren. Erst hochbetagt sollte sich Lotte Reiniger wieder in Deutschland niederlassen.

Carl-Stephan von Bothmer schwärmt von der „grazile[n] Technik und reine[n] Schönheit“ des Films und vom „hinreißenden lyrischen Ausdruck“ der Figuren Lotte Reinigers, die diese „mit einer Eleganz schweben [lässt], die atemberaubend ist“. (http://www.stummfilmkonzerte.de) Er zitiert den Berliner Börsen-Courier vom 5.9.1926: „Dieser Silhouettenfilm verwirklicht –  auf einem völlig neuen und noch unerschlossenen Gebiet – endlich wieder einmal die wunderbaren und phantastischen Möglichkeiten des Films. Aus den irrealsten Gebilden, aus ganz entstofflichtem Material entsteht über die Traum- und Märchenwelt dieser Bilder hinaus eine zweite, gesteigerte und verwandelte Wirklichkeit.

Seit seiner Restaurierung (1999) erlebte der Film zahlreiche Wiederaufführungen und musikalische Untermalungen. Die Online Film Critics Society (2003) erklärte „Die Abenteuer des Prinzen Achmed“ als einzigen deutschen Beitrag zu einem der „100 besten programmfüllenden Trickfilme aller Zeiten“, und einer Umfrage des Verbunds der deutschen Kinematheken (1995) zufolge rangiert der Film unter den 100 wichtigsten deutschen Filmen. (Christel Strobel, www.lottereiniger.de)

(Textverantwortliche: AR)         ̳ ៱˳_˳៱ ̳ ∫      ***