No!
No! Still

Vorfilme:
Chile, Regie: Jörg Herrmann, Juan Forch (DDR 1975 , 1 Min., DCP,  Animation)

Junta-Chefs singen nach dem Willen Onkel Sams und nach Orgelmusik das Lied vom Antikommunismus. Aber die Kräfte sind wach, die dem Spuk ein Ende bereiten werden.“ DEFA-Stiftung, zitiert nach: „Die Trick-Fabrik. DEFA-Animationsfilme 1955-1990“

Die Revolution kann keiner aufhalten, Regie: Juan Forch (DDR 1977, 6 Min., DCP, Collagentrickfilm, Realfilm)
Dieser Trickfilm zeigt noch einmal die Errungenschaften des chilenischen Volkes unter der Regierung Allendes, aber auch die Reaktion, die mit ihrem Militärputsch den Fortschritt zerschlug.“ DEFA-Stiftung

Hitlerpinochet, Regie: Jörg Herrmann, Juan Forch (DDR 1976, 2 Min., DCP, Animation)
Entlarvung des Regimes Pinochets durch Vergleiche mit dem Hitlerregime.“ DEFA-Stiftung, zitiert nach: „Die Trick-Fabrik. DEFA-Animationsfilme 1955-1990“


Hauptfilm:
No!

Chile im Jahr 1988. Die Regierung um Augusto Pinochet hat beschlossen, die nächste Amtsperiode des Diktators per Referendum zu besiegeln und damit auch ihr langjähriges Wirken vor der Weltöffentlichkeit zu legitimieren. Für die Opposition bietet der Volksentscheid die einmalige Chance, demokratisch und unblutig den ersehnten Systemwechsel herbeizuführen. Allerdings ist die Vorbereitungszeit knapp und der zugestandene Sendeplatz im öffentlichen Fernsehen ein abendlicher graveyard slot von gerade einmal 15 Minuten. Nach einigem Ringen beschließt man, René Saavedra (Gael García Bernal), ein aufstrebendes Werbetalent, als Leiter der Kampagne zu gewinnen. Der hat sich jedoch in erster Linie mit dem Marketing von Softdrinks profiliert und blickt nach einer Jugend im Exil und internationalen Arbeitserfahrungen mit großem innerem Abstand auf die Zustände zuhause. Außerdem ist er im Büro von Luis „Lucho“ Guzmán beschäftigt, dem aalglatten Leiter der konkurrierenden Pinochet-Kampagne (gespielt von Alfredo Castro, der in „Tony Manero“ und „Post Mortem“, den beiden Vorgängerfilmen der Larraínschen Diktatur-Trilogie, unvergesslich abgründige Protagonisten schuf). Auch wenn der Ausgang dieser David und Goliath-Story längst in die Annalen der Welt- und Werbegeschichte eingegangen ist, hält „No“ den Spannungsbogen. Mehr noch, der Film funktioniert gerade auf Grund der Strategie des Regisseurs, anstelle dokumentarischer Präzision auf eine freiere Narrativierung der Zeitläufte zu setzen. Für viele Zuschauer_innen im Hier und Jetzt wird es einfacher sein, sich mit dem unbekümmerten Optimismus des charismatischen Jungwerbers mit Skateboard zu identifizieren als mit den historischen Menschen hinter der Kampagne, auf denen sein Charakter beruht. René begreift die Tragweite seines Auftrags erst allmählich – dann, als er das Ausmaß seiner eigenen Verstrickung in die Macht erkennt und diese seine Familie und ihn zu bedrohen beginnt. Freilich nur erahnen lässt uns die fiktive Figur Renés, welch hohen Preis weniger Privilegierte unter seinen Landsleuten zu zahlen bereit waren, der Diktatur ein Ende zu setzen.

Gerhard Midding („Der Freitag“) verweist auf einen weiteren technischen Trick des Regisseurs und argumentiert, dass es Larraín auch hiermit gelänge, „den Zuschauer zum Komplizen [seiner] verschmitzten Demagogie zu machen […]: Er hat NO! in dem längst ausgemusterten U-Matic-Format gedreht, um keinen Unterschied sichtbar werden zu lassen zwischen seinen Spielfilmszenen und dem historischen Material der Werbespots. Die unscharfen Konturen der Bilder leuchten in den Regenbogenfarben der Opposition. Ihr Versprechen ist jedoch das der Werbung. Die Zukunft, die sie Chile in Aussicht stellt, wird nicht nur demokratisch sein. Die fröhlichen Bilder künden auch von der Verlockung, eine Konsumgesellschaft nach US-Muster zu werden. Darin erweist sich „No!“ nicht nur als bunte, sondern als tiefschwarze Komödie.

„No“ errang zahlreiche Auszeichnungen und Preise, darunter den Gran Coral des Internationalen Festivals des Neuen Lateinamerikanischen Films in Havanna (2012), den Art Cinema Award der Confédération Internationale des Cinémas d’Art et d’Essai (CIAE) in Cannes (2012) und jeweils den Publikumspreis in Thessaloniki (2012) und Tromsø (2013). Der Film erhielt außerdem eine Nominierung in der Kategorie Bester Fremdsprachiger Film bei den Academy Awards (2013).

(Textverantwortliche: AR)

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