The Garden
The Garden Still

„I walk in this garden / Holding the hands of dead friends.

Old age came quickly for my frosted generation, /

Cold, cold, cold, they died so silently.“ 

Derek Jarman, „The Garden“

The Garden“ (1990) ist ein subjektiver, höchst sinnlicher Strom von Bildern, der kühn die Möglichkeiten des Kinos austestet. Der Experimentalfilm kommt ohne Dialoge aus, lyrische Erzählstimmen und ein betörender Soundtrack von Simon Fisher-Turner bestimmen die Tonspur. Derek Jarman (1942-1994) verhandelt darin nicht nur die eigene Sterblichkeit, er klagt auch wütend das repressive Klima gegen Schwule und Lesben unter der Regierung Margaret Thatchers in der Hoch-Zeit der Aids-Krise an – und hinterfragt kritisch die Rolle der katholischen Kirche in der Jahrhundert-langen Homosexuellen-Verfolgung.“ Salzgeber

Derek Jarmans experimentelles Filmpoem „The Garden“ (1990) entstand ziemlich genau in der Mitte der wenig mehr als sieben Jahre, die ihm nach seiner AIDS-Diagnose im Dezember 1986 noch bleiben sollten – einer geradezu obsessiv schöpferischen Periode, wie unter anderem zahlreiche Langfilme – „The Last of England“ (1987), „War Requiem“ (1989), „Edward II“ (1991), „Wittgenstein“ (1993) und „Blue“ (1994) – sowie unzählige Musikvideos, u.a. für die Pet Shop Boys, The Mighty Lemon Drops, Patti Smith und The Smiths bezeugen. Gedreht wurde dieser Film vorwiegend an Jarmans letztem Wohnsitz, Prospect Cottage, der indigoschwarzen Fischerhütte mit markant gelben Fensterrahmen; vorne Seeblick, den Atommeiler Dungeness B im Rücken. Der von Jarman angelegte Garten, räumlich-konkrete Kulisse und symbolisch aufgeladener Dreh- und Angelpunkt des Films, war im echten Leben Therapie, Apotheke, Kunst- und Rückzugsort. Jarman hatte ihn unwirtlichem Kiesstrand und Salzwasser abgerungen. Hier wächst bis heute Seekohl neben kalifornischem Mohn, Santolina, Fenchel und Echtem Baldrian; er ist von Bienen und Eidechsen bevölkert und von rostigen Metallskulpturen durchzogen. Kunstvoll arrangierte Findlinge zeugen außerdem von Jarmans lebenslanger Faszination für das vorchristliche Britannien und dessen Kultstätten; einer davon hatte er einen seiner frühen Kurzfilme gewidmet („Journey to Avebury“, 1971), wie bei der Mehrzahl seiner Filme und ebenso bei „The Garden“ mit Hilfe einer Super 8-Kamera.

„Why have I escaped from the garden? Because it has no fence or boundaries, so who can guess where it ends?”  „Derek Jarman’s Garden“

Im Film erscheint dieser Garten am südöstlichen Rand der britischen Insel zuallererst als Ort der Ausgrenzung, der Ohnmacht und des Martyriums. Hier wird mit Zorn und Trauer ein Abgesang auf die die hedonistische Unschuld vor AIDS angestimmt – und damit auch auf eine Zeit des Aufbruchs, als queere* Communities weltweit und mit unterschiedlichem Erfolg begonnen hatten, Respekt und Legitimität für sich zu erstreiten. Und dennoch finden sich hier stets auch utopische, ermächtigende Momente, allem voran in der Feier des Jarmanschen Gartens als kreativem, widerständigem und auch durch seine Meereslage überbordendem und entgrenztem Biotop.

(Textverantwortliche: AR)   (^・ﻌ・^✿)